Ein Interview mit Angela Wiedl zum neuen Album „Der Engel an deiner Seite“

Dieses Interview stammt von der Website von Jupiter-Records und wurde geführt von Tobias Reitz.

Frühling 2008. Ich bin verabredet mit Angela Wiedl. Wir wollen über ihr neues Album „Der Engel an deiner Seite“ und über ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum sprechen. Wir treffen uns am Rande der Tournee „Das Frühlingsfest der Volksmusik“, mit der sie als gern gesehene Gala-Interpretin ein knappes Vierteljahr durchs Land gezogen ist und die Menschen begeistert hat. Als wir uns vorgestellt werden, ist mein erster Eindruck: Eine warmherzige Frau. Das überrascht mich allerdings nicht, so kenne ich sie erstens vom Bildschirm und zweitens wurde sie in den Medien schon oft so beschrieben. Sie lächelt zurückhaltend, aber verbindlich.

Ich bin gespannt auf die nächsten Stunden und lasse meine Bildschirm-Eindrücke von Angela Wiedl Revue passieren: Wie sie Hitparade für Hitparade gewonnen hat, immer mit einem strahlenden Lächeln, aber ohne einen einzigen Freudenschrei oder mit Sieger-Pose – ihre Freude war immer still, eigentlich ein bisschen wie ihre Lieder. Mit „Mama Theresa“, „Doch des Herzklopfen… des verdank i dir“ und „La storia della montagna“ hat sie ihre größten Hits gelandet – drei Titel, die weit weg sind von Bierzelt-Volksmusik, die im Gegenteil etwas Edles an sich haben, genau wie die Sängerin. Ich gehe im Kopf die Fragen durch, die ich ihr stellen möchte: Nach ihrem Entdecker und Produzenten Ralph Siegel; nach Liedern, die ihr besonders am Herzen liegen; nach den Dingen, die sie abseits der Bühne für ihr Wohlbefinden tut; nach den Plänen für die Zukunft.

Und natürlich nach dem neue Album „Der Engel an deiner Seite“. Wie man es denn charakterisieren könne. Und ich erfahre, dass Angela Wiedl sich ihre Lieder normalerweise selbst aussucht. Diesmal aber war es nicht so. Diesmal ist Ralph Siegel, den sie selbst nicht nur als ihren Entdecker, Förderer, Komponisten und Produzenten bezeichnet, sondern auch als „Freund, auf den ich mich noch verlassen könnte, wenn alle anderen schon fort wären“, mit einer Bitte an sie herangetreten: „Er hat mich gefragt, ob er diesmal die Titel fürs Album aussuchen dürfte, und ob ich bereit wäre mich einfach mal darauf einzulassen, was er mir zusammenstellt.“ Herausgekommen ist nun ein Album, von dem Angela Wiedl ohne Umschweife sagt: „Das ist ein wirklich sehr, sehr gutes Album; das weiß ich!“

Sie scheint in der Tat „rund“ mit sich und ihrer Musik zu sein, ob es nun die vom Glauben an die Menschlichkeit getragenen Balladen wie „Hoffnung“ sind oder der leidenschaftliche Rock’n’Roll „Fühl dich wohl“, mit dem sie das ansonsten eher erzählerische, textlich tiefgründige Album ungehörig dynamisch abschließt. Erstaunlicherweise ist dies der erste Titel des Albums, von dem sie im Gespräch erzählt. Weil er ihr viel Spaß macht beim Singen, genauso wie dem Fan beim Hören. Das ist also auch Angela Wiedl! „Ich tanze schon seit über 20 Jahren Rock’n’Roll und Boogie“, sagt sie, „für die Ära der 60er hab ich viel übrig.“

Und wofür noch? „Natürlich für München.“ Dass „München leuchtet“, erzählt sie gleich mit dem Eröffnungslied auf „Der Engel an deiner Seite“. Die wunderbare Atmosphäre des Titels dürfte sowohl dem Touristen, als auch dem Kenner der Stadt aus der Seele sprechen: „München leuchtet wie ein Riesen-Sternenmeer – München leuchtet so, als wenn’s verzaubert wär“. Apropos „Zauber“ – die erste Single, die beim Hören unweigerlich die Seele berührt, heißt genau wie das Album Der Engel an deiner Seite“. Also im weiteren Sinne ein Lied über den Glauben, der in Angela Wiedls Leben eine große Rolle spielt. „Vor zwei Jahren, als meine Tochter gestorben ist“, erzählt sie, „habe ich geglaubt, ich könnte nie wieder singen. Es hätte ja auch passieren können – manche Menschen zerbrechen an so einem Erlebnis. Meine Kraft war der Glaube an Gott. Und das Wissen, wie gern es Angelina hatte, wenn ich singe.“ Angela Wiedl macht eine Pause. Wir schweigen beide. Dann setzt sie wieder an. „Ich weiß, ich werd sie einmal wieder sehen und dann will ich ihr sagen können, dass ich in ihrem Sinne weiter gesungen habe. Für mich wird die Zeit noch lang werden. Für sie ist es nur ein Augenaufschlag.“

Ein Augenaufschlag zum Trost. Und viele schöne Erinnerungen, die nie vergehen. Aber auch eine Menge neuer Zuversicht: „Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass ich nicht mehr singe, hätte er mir meine Stimme weggenommen. Aber er wollte es nicht, er hat mir meine Musik gelassen. Das gibt mir Kraft. Ich weiß, es soll alles so sein.“ Es soll so sein. Vielleicht die wichtigste Weisheit im Leben von Angela Wiedl. Sie erzählt von ihrer Begegnung mit Mutter Theresa, die sie fürs Leben geprägt hat. „Sie hat mich gefragt, ob ich mich ihrem Orden nicht anschließen möchte. Das war schon ein besonderes Gefühl. Ich habe ihr gesagt, dass ich meinen Platz als Sängerin gefunden habe und fühle, dass dieser Weg der richtige für mich ist. Da hat sie mich nur angeschaut und gesagt: Ja, dann ist es richtig so. Dann soll es so sein.“

So erklärt sich nun auch die Bitte von Ralph Siegel die Lieder fürs neue Album auszusuchen. „Ich weiß, er hat diese Lieder nicht nur als mein Produzent ausgewählt, sondern auch als mein Freund. Ich hätte mich möglicherweise noch ein wenig verkrochen, aber er hat mich mit seinen Ideen aus dem Schneckenhaus geholt. Ich bin ihm dankbar.“ Und mit dem Bewusstsein der Sängerin vereinigt Angela Wiedl nun viele weitere, kleinere Aufgaben auf dem Album „Der Engel an deiner Seite“:

Die der Geschichtenerzählerin („Johnny und Marlen“, „Via Mala“, „Eines Tages irgendwo“), der Trösterin („Doch am Abend, da kommen die Träume“) und der Romantikerin („I mag di mehr und mehr“), auch die einer besten Freundin („Gottes Mühlen mahlen langsam“) oder einer Tagebuch-Schreiberin („Wir sind überm Berg“). Mit der neuen Version von „Meine kleine Freiheit“ von Nicole aus dem Jahre 1983 hat Angela Wiedl einem Klassiker neues Leben eingehaucht, der textlich in ihr Leben und ihre Philosophie passt und der musikalisch nicht verbogen werden musste um sich anzufühlen, als wäre er soeben erst für Angela Wiedl geschrieben worden.

Wir reden nun schon an die zwei Stunden. Eine Zeit, die ich nicht einmal bemerkt habe. Angela Wiedl strahlt Kraft, Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Ihre Worte sind wohlüberlegt und selbstbewusst, wirken aber – für eine Künstlerin – erstaunlich uneitel. Es muss wohl tatsächlich der Glaube an eine höhere Macht sein, der ihr die Demut verleiht, mit der sie ihren Beruf ausübt und ihr Leben lebt. Dass man den Erfolg nicht festhalten kann und er nicht der Lebensinhalt ist, hat sie längst begriffen. Und mehr noch: „Ich glaube, dass alles zurückkommt, was du anderen Menschen gibst oder antust.“ Darum gibt sie selbst den Menschen am liebsten Freude. Mit ihrer Stimme, ihrer Ausstrahlung und ihrer immer mehr an die wunderbare Ingrid Bergmann erinnernde Schönheit. Die pflegt sie mit Yoga und einmal jährlich mit ayurvedischem Panchakarma.

„Das sind Entgiftungskuren, bei denen die im Körper abgesetzten Schlacken und Giftstoffe mobilisiert, abtransportiert und ausgeschieden werden. Du wirst mit Öl massiert, und zwar sehr kräftig und am ganzen Körper, und wenn sie das Öl von deiner Haut abreiben, ist es dunkler als zuvor. Als sie das zum ersten Mal bei mir gemacht haben, habe ich mich nach ein paar Tagen gefühlt wie eine alte Frau, hatte überall Schmerzen, weil sich die Giftstoffe gelöst haben und durch den Körper gewandert sind. Aber wenn du das überwunden hast, bist du ein neuer Mensch.“

Auch beim Essen achtet Angela Wiedl auf das, was sie ihrem Körper zuführt, liest entsprechende Sachbücher und kocht nach den Erkenntnissen der modernen Ernährungswissenschaft. Sie zählt wohl zu den Menschen, von denen man sagen kann, sie leben bewusst.

Worauf freut sich Angela Wiedl im Moment und wie sind die Pläne für die Zukunft? „Ich würde gerne mal ein Album mit alten Melodien aufnehmen, persönlichen Lieblingsliedern aus den 30er- bis 60er-Jahren, an die sich die Menschen gerne zurückerinnern. “ Eine schöne Idee, für die eine Stimme wie die von Angela Wiedl geradezu perfekt erscheint. „Jetzt freue ich mich aber erst mal auf das aktuelle Album „Der Engel an deiner Seite“ und die Kirchenkonzerte, die ich teils solo und teils wieder mit Oswald Sattler absolvieren werde.“

Wir verabschieden uns um kurz vor Mitternacht nach einem langen Abend. Angela Wiedl fährt mit den Kollegen weiter zum nächsten Tournee-Termin und wird auch dort wieder mit strahlendem Lächeln und betörender Alt-Stimme auf der Bühne stehen und den Menschen ein paar Stunden Lebensfreude schenken. Weil sie mit Leib und Seele Sängerin ist.
Ich werde an den Abend und das Gespräch noch oft zurückdenken. Mich auf unsere nächste Begegnung freuen. Und bis dahin immer wieder beobachten, wie lange ein Augenaufschlag dauert.
Tobias Reitz

(Niederländische Übersetzung)